Anna Fischer, Liesanne Janssens Februar 20, 2018
Dr. med. Simon Weidert

In dem Webinar zum Thema „Anwendungen für Hüfte und untere Extremitäten“ berichtet Dr. med. Simon Weidert von seinen Erfahrungen mit einem patientenspezifischen Implantat, das zur Rekonstruktion eines Acetabulumdefekts eingesetzt wurde - Materialise aMace.

Dr. Weidert gehört zum Ärzteteam der Klinik für Allgemeine, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie und ist Leiter der Forschungsgruppe für computergestützte Operationsverfahren und Simulationen am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Als Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie ist er sehr an den Möglichkeiten des 3D-Drucks interessiert. In seiner Klinik werden bereits standardmäßig 3D-gedruckte anatomische Modelle eingesetzt.

Untersuchung des Acetabulumdefekts

Dr. Weidert stellt den Fall eines 33-jährigen männlichen Patienten vor, der mit Folgeverletzungen aus einem über zwei Jahre zurückliegenden Verkehrsunfall zu ihm gekommen war. Zu den zahlreichen Verletzungen dieses Patienten gehörten mehrere Frakturen, u.a. eine Acetabulumfraktur (die zu einer Beinverkürzung führte), sowie Verletzungen am Wadenbeinnerv, Radialnerv und am linken Knieband. Die Acetabulumfraktur war aufgrund des damaligen Gesundheitszustands des Patienten nicht behandelt worden und unkontrolliert verheilt.

Die Mobilität des Patienten war stark eingeschränkt. Er war weitgehend auf einen Rollstuhl angewiesen. Auch Krücken konnte er nicht nutzen - aufgrund des durch die Verletzung des Wadenbeinnervs verursachten „Hahnentritts“ und der noch frischen Rekonstruktion des Radialnervs. Er wies eine T-förmige Fraktur mit posterokaudal disloziertem Segment auf, das in falscher Position verheilt war. Der Femurkopf hatte den posterokranialen Teil des Acetabulumrands zerstört und das neue Hüftzentrum befand sich mehr als drei Zentimeter über dem ursprünglichen anatomischen Zentrum. Das alles hatte zu einem Paprovsky Defekt des Typs 3A geführt.

 

 

Bestimmung einer ambitionierten Behandlungsstrategie

Die Ärzte erwogen zunächst klassische Behandlungsmethoden anzuwenden, wie z.B. eine Tantal- oder Knochentransplantation. Aufgrund des hohen Knochenverlusts hätte auf diese Weise jedoch keine Acetabulum-Rekonstruktion erreicht werden können. Dr. Weidert und sein Team waren fest entschlossen, dem jungen Mann zu helfen und erkannten, dass sie dafür einen neuen Ansatz anwenden mussten - sie nahmen Kontakt zu Materialise auf und sendeten dem Unternehmen die CT-Scans des Patienten zu.

Daraufhin erstellte Materialise als präoperative Analyse einen Behandlungsplan, der quantitative Daten zum Knochenverlust und zur Deformation des Acetabulums enthielt.

Auf Grundlage dieser Daten wurde ein Plan zur Rekonstruktion des Acetabulums entwickelt. Der Behandlungsplan von Materialise enthielt auch Empfehlungen zur Position und Orientierung des Implantats und der zugehörigen Schrauben. Der Chirurg hatte die ganze Zeit volle Kontrolle über das Implantat-Design, sodass nach wenigen Telefonaten mit Materialise eine optimale Rekonstruktion geplant werden konnte.

Es wurde geprüft, ob eine Absenkung des Rotationszentrums in Richtung seiner ursprünglichen anatomischen Position möglich war, ohne die Nerven, Bänder und Muskeln zu überspannen. Schließlich entschied der Chirurg, das Hüftzentrum fast vollständig in seiner ursprünglichen anatomischen Position zu rekonstruieren.

Total figure

The screw configuration, of both cup and flange screw for cross fixation, was based on the bone quality, which the surgeon could see in the planning report. He provided his feedback on the position and amount of screws and the design was finalized incorporating all valuable feedback from the surgeon. Die Konfiguration der Kopf- und Flanschschrauben für die Querfixierung basierte auf der Knochenqualität, die der Chirurg dem präoperativen Bericht entnehmen konnte. Nach den letzten Rückmeldungen des Arztes zur Positionierung und Anzahl der Schrauben erhielt das Modell seine endgültige Gestalt.

Bone Quality
Implant Screws

Vorbereitung auf die OP

Drei Wochen später hielt Dr. Weidert das individuelle 3D-gedruckte Implantat aus Titan in seinen Händen. Es bestand aus einer Platte und einem porösen Augment. Der poröse Teil sollte die Knochenlücke ausfüllen, guten Knochenkontakt ermöglichen und das Einwachsen des Knochens fördern.

Materialise hatte zudem ein Knochenmodell in Originalgröße geliefert, von dem die Teile abgetrennt werden konnten, die bei der tatsächlichen Operation entfernt werden sollten. Dieses Knochenmodell ermöglichte den Chirurgen, sich besser auf die Operation vorzubereiten. Sie konnten die genaue Positionierung des tatsächlichen Titan-Implantats bereits vor dem Eingriff an dem 3D-gedruckten Knochenmodell testen. Darüber hinaus hatte Materialise auch ein Implantat-Dummy aus Plastik sowie verschiedene Bohrschablonen gefertigt, mit denen die Chirurgen die Schraubenlöcher präzise vorbohren konnten. Mithilfe des Behandlungsplans konnte das Team die nötige Schraubenlänge überprüfen und vorbereiten und somit zur Verkürzung der Operationszeit beitragen.

Tools

Die Operation

Während der Operation erwies sich das Knochenmodell als ein sehr wertvolles Hilfsmittel, mit dem die Orientierung des Knochens im Patienten bestimmt werden konnte. Knochenmodell und Implantat-Dummy halfen zudem sicherzustellen, dass vor dem Einsatz des echten Implantats genug Gewebe- und Knochenmaterial entfernt wurde. Schließlich wurde das Titan-Implantat eingesetzt und in seine finale Position geschoben, wo es bereits ohne Schrauben stabil saß. Dann wurden die patientenspezifischen Bohrschablonen verwendet, um die Schraubenlöcher vorzubohren. Einige Schrauben waren, trotz der sorgfältigen Vorbereitung, schwer anzubringen. Dr. Weidert empfiehlt deshalb einen Winkelbohrer oder Winkelschraubendreher zu verwenden. Die Kopfschrauben bereiteten die größten Schwierigkeiten, waren aber wichtig für eine gute Fixierung.

Nach der Operation wurden Röntgenbilder erstellt, um die Position des Implantats zu überprüfen. In diesen konnte das Team sehen, dass viele Schrauben gut im Knochen verankert waren. Auf den ersten Blick schien auch das Titangeflecht genau zu sitzen. Bei näherer Betrachtung entdeckte das Team jedoch einen kleinen Hohlraum zwischen dem Knochen und dem porösen Teil des Implantats. Da sich das Implantat aber dennoch stabil und gut anfühlte, war Dr. Weidert insgesamt zufrieden mit dem Ergebnis.

CTderivedXray_perop

Ein zufriedenstellendes klinisches Ergebnis

Materialise führte auch eine postoperative Evaluation des Implantats durch. Die Schlussfolgerung lautete, dass es gut positioniert war, mit einer kleinen aber akzeptablen Abweichung bei der Orientierung und Positionierung im Vergleich zur ursprünglichen Planung. Dr. Weidert verglich seine Operationsergebnisse auch mit Richtwerten, die M. Baauw aus den Niederlanden zum Einsatz eines aMace Implantats veröffentlicht hatte - und sah, dass seine Ergebnisse nur leicht von diesen Richtwerten abwichen.

planned a
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Drei Monate nach der Implantation gab es nur noch einen minimalen Längenunterschied zwischen den Beinen. Der Patient wies noch eine leichte Glutealinsuffizienz auf, die wahrscheinlich darauf zurückzuführen war, dass er seine Beine vor der Operation über zwei Jahre lang nicht benutzt hatte. Trotzdem konnte er aber nun ohne Krücken gehen und sein Zustand verbesserte sich zunehmend.

Postop

Gut zu wissen

Dr. Weidert ist überzeugt, dass 3D-gedruckte Acetabulumkomponenten eine tragfähige Option für die Behandlung posttraumatischer Acetabulumdefekte darstellen. Er rät zu besonderer Vorsicht bei der Entfernung von Weichteilgewebe und Knochen, um das Implantat genau nach Plan einsetzen zu können. Dr. Weidert sagt:

“Wir haben festgestellt, dass es besser ist, den Plan nicht zu ändern, denn er funktioniert und ist zeitsparend. Zumindest in diesem Fall hätten wir dem OP-Plan mehr trauen sollen - das ist alles Teil des Lernprozesses.”

Interessant seien jetzt vor allem die langfristigen Resultate.

 

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